Karl Anton Fleck.

vom Feinsten
23.02.2005 bis 09.04.2005



"Hinter jedem Gesicht versteckt sich Gott",
Gedichte und Filmmontagen von Karl Anton Fleck erschienen.

Kern 80 Seiten, Auflage 200 Stk., nummeriert,
Umschlag im Handsiebdruck 2-färbig, Preis 22,- Euro,
erhältlich in der Galerie Chobot, 1010 Wien, Domgasse 6
oder Bestellungen unter office@galerie-chobot.at

"Schiebt nicht alle Eure Bilder der Kunst in die Schuhe"
Karl Anton Fleck

"Das Porträt ist heutzutage verkommen, die Zeichner vernachlässigen das Porträt völlig." Irgendwann sagte Karl Anton Fleck diesen Satz. "Ich weiß nicht, warum meine Kollegen diesen Bereich nicht wahrnehmen. Man kann das Porträt nicht ausschließlich den Fotografen überlassen." Karl Anton Fleck war mit der Kunstgeschichte vertraut. "Ein Porträt sollte tiefer eindringen, als bloß die Oberfläche darstellen. Die Kunst kennt eine andere Dimension, in diesem Punkt ist sie der Fotografie überlegen." Diesen Beweis trat er an.

alle paar augenblicke tritt KAF einen schritt von der staffelei zurück, auf der das brett mit dem zeichenpapier lehnt, weitet seine augen so, daß das weiße sichtbar wird, oder aber legt seine stirn in kritische denkerfalten und begutachtet sein werk. wir erzählen von ereignissen der letzten woche, jeden dienstag zur gewohnten zeit. wir trinken bier. wir betrachten die soeben entstandene zeichnung.

wenn wir eine woche später die zeichnung wieder betrachten, ist sie verändert, weitergearbeitet, manchmal in den folgenden wochen wieder und wieder. wenn der portraitierte z.b. friert und sich in sich zusammenzieht, sieht man das auch auf dem porträt, man sieht charakteristische handhaltungen / körperstellungen. trotz fehlender fotografischer ähnlichkeit sind die dargestellten wieder-erkennbar.

& wieder schneidet KAF einen streifen des zeichenpapiers ab, etwa 5 zentimeter ist das zeichenblatt zu lang für die üblichen rahmen, also wundern wir uns weshalb die normformate von papier und rahmen nicht identisch sind.

& wieder klebt KAF das blatt mit tixo auf die holzplatte & wieder stellt KAF die holzplatte auf die staffelei & wieder sucht KAF einen neuen standort für die staffelei, trägt sie umher, probiert & schimpft über die ungünstigen lichtverhältnisse.

Bevor KAF den ersten Strich setzte, wischte er Grafitstaub über das Blatt, verteilte ihn beharrlich mit einem weichen Lappen. "Das ist der Ton, damit das Blatt lebendig wird." Allzu weißes Papier war ihm zu steril. Damit konnte er nichts anfangen. Und er begann bedächtig. Immer wieder der prüfende Abstand des Auges zum gespannten Papier auf der Staffelei, fixiert auf einer Holzplatte als Unterlage. Gemeinsam begutachteten wir das entstandene Blatt. Ein guter Grund für einen Schluck. Der Doppelliter Rotwein gestattete es, mit einem weiteren Bildnis zu beginnen.

Immer wieder Hände und Finger. KAF zeichnete Hände in allen Stellungen, Hände und Finger als Symbole, Hände in eindeutigen und zweideutigen Gesten. Die Sexualität hat in Karls Kunst stets ihren Ausdruck gefunden. Unter der Oberfläche brodelte es still vor sich hin.

"Hände sagen sehr viel über einen Menschen aus", sagte Karl. "Mit Händen kannst du einen Menschen charakterisieren, ohne sein Gesicht zu kennen. Eine Hand ist wie eine Visitkarte." Wie "Fußnoten" sind Hände in Karls Arbeiten präsent. "Die Form und die Stellung einer Hand trifft eine entscheidende Aussage über den Charakter. Und du kannst mit Händen spielen." Dieses Spiel schätzte Karl überaus.

Um sich selbst zu verleugnen, schlüpft man in eine andere Haut: Man nimmt eine andere Identität an. Das kann Spaß machen - oder Schmerz bereiten. Für Karl war es wohl beides gleichzeitig. In dem Infragestellen der eigenen Persönlichkeit, in dem Wunsch, seine Identität zu verlassen und sich selbst zu verleugnen, verbarg sich eine existentielle Sinnsuche: Sich in die Enge treiben, vor sich selbst davonlaufen auf dem Weg nach einem anderen Ich. So sind seine Selbstbildnisse keineswegs die Manifestation einer Eitelkeit, sondern vielmehr Zeugnisse des Bestrebens, die eigene Persönlichkeit auszulöschen oder zu verstümmeln. Ein Mensch auf der Suche nach einem anderen Ich.

Manfred Chobot