Henri Michaux, Michel Nedjar

Zeichnungen
01.07.2004 bis 30.07.2004



Henri Michaux, 1899 in Namur, Belgien geboren und 1984 in Paris gestorben, wo er seit 1924 lebte, gehört zu den wenigen Maler-Dichtern des 20. Jahrhunderts, die sowohl in der Literatur wie in der bildenden Kunst ein herausragendes und eigenständiges Werk geschaffen haben. "Ich male wie ich schreibe", sagte er 1959 von sich selbst. Zeit seines Lebens liefen Wort-und Bildproduktion parallel, auf der Suche nach der Sichtbarmachung der Innenwelt, des "l‘éspace du dedans". Mit taches und alphabets, amorphe Flecken und abstrakte Schriftzeichen aus den Jahren 1925-27, wurde er zum Pionier des Tachismus. 1954-1959 fanden unter medizinischer Aufsicht seine Experimente mit der psychoaktiven Substanz Meskalin statt. Sie dienten der Erforschung und Erweiterung der Grenzen der Wahrnehmung und des Bewusstseins. D.h. Reorientierung, die Erfahrung der Elastizität von Raum und Zeit sowie der Uneindeutigkeit der Formen und Zeichen.

Für Michaux war die Malerei eine Reise ins Innere seiner selbst, ein geistiges Hinabsteigen. Eine Prüfung, eine Leidenschaft. Auch ein luzides Zeugnis des Taumels: während des endlosen Falls hielt er die Augen offen und konnte in den grünen und schwarzen Flecken an den Brunnenwänden die Schriften der Angst, des Schreckens, des Zorns entziffern. Auf einem Stück Papier auf seinem Tisch sah er im Lampenschein ein Gesicht, viele Gesichter: die Einsamkeit des Geschöpfes in den es bedrohenden Räumen. Reisen durch die Tunnel des Geistes und die der Physis, Expeditionen durch die unendlich kleinen Unermesslichkeiten der Gefühle, Eindrücke, Wahrnehmungen, Vorstellungen. Geschichtliche Ereignisse, Geographien, Kosmologien der Länder dort drinnen, unbestimmt, fließend, in ständiger Auflösung und in ständigem Werden, mit ihren unbändigen Vegetationen, ihren gespenstischen Bevölkerungen. Michaux ist der Maler des Auftauchens und Verschwindens. Oft wird angesichts dieser Werke seine Phantasie gelobt. Es sind wahre Momentaufnahmen des Schreckens, der Angst, der Hilflosigkeit. Besser gesagt: wir leben unter geheimnisvollen Mächten, doch wir wissen, obgleich wir Ihre wahren Namen nicht kennen.

Ausstellungen u.a. Biennale Venedig, Palais des Beaux-Arts/ Brüssel, Kestner Gesellschaft/Hannover, Fondation Maegh/St.Paul-de-Vence, Museum des 20. Jahrhunderts/Wien, Kulturhaus der Stadt Graz, Musée National d´Art Moderne - Centre Pompidou/Paris, Guggenheim Museum in New York , Seibu Museum/Tokio, Neue Galerie/Graz, Bibliothéque nationale de France/Paris, Galerie Michael Werner/NewYork, Drawing Centre/NewYork

Michel Nedjar , 1947 in Soisy-sous Montmonrency geboren. Mit 14 Jahren verließ er die Schule, absolvierte eine Schneiderlehre und besuchte später eine Schule für Modedesign. Mit 22 Jahren traf er Theo Hernandez. Zusammen mit ihm unternahm er zuerst eine große Reise durch Europa und Marokko und später durch Asien, die Türkei, Afganistan, den Iran, Indien und Mexiko, wo er 18 Monate verbrachte. Nach seiner Rückkehr, 1975, entstanden seine ersten Puppen. In dieser Zeit drehte Theo Hernandez den Film "Salome", in dem Nedjar eine Rolle übernahm. 1977 drehte er den ersten eigenen Film "Le gant de l´autre" zusammen mit Theo Hernandez und Gaël Badaud. Es folgten weitere Filme. 1979 traf er Jean Dubuffet, der einige seiner Arbeiten für die Collection de L´Art Brut erwarb.
Michel Nedjar lebt in Paris.

Einzelausstellungen: Rosa Esman Gallery, New York. Galerie Susanne Zander, Köln. Galerie Michael Haas, Berlin. Carl Hammer Gallery, Chicago. Galerie Latal, Zürich.

Michel Nedjar arbeitet rasch, ohne Ausbesserungen, ohne Reuestriche. Er nimmt sich ein Werk nicht noch einmal vor. Er verfährt in Serien. Dieses Schaffen kennt keine andere innere Bewegung als die einer schrittweisen Häutung. Sein unendliches Variationenspiel entfaltet sich zwischen zwei Polen:- einem Chaos, wo grelle Farben aufeinanderprallen und wo sich, an der Grenze der Erkennbarkeit, eine Menge ohne individueller Züge drängt – eine Nacht, aus der, unverwechselbar trotz der Reduzierung auf das Wesentliche, ein Umriß, ein Gesicht, Augen auf uns zukommen und sich einprägen. Aus einem undeutlichen Geflecht, aus einem unentwirrbaren Dickicht lösen sich Figuren. Vielfältige Figuren, die einander überlagern und gleichsam einander hervorbringen. Sie treten uns vor Augen und wirken auf uns als unerschöpfliche Fülle. Sie erscheinen uns "aus den Tiefen einer unerklärlichen ständigen Erneuerung" (Henri Michaux).

Zwar sind Nedjars materiellen Interventionen und formellen Variationen endlos und polyvalent, seine Ikonen jedoch sind konstant und bestehen aus einer Reihe von Figuren, die auf endlose Weise wiederholt werden: Gesichter und Masken, menschliche Körper, Mumien, Stockfiguren und Silhouetten, sowie bestimmte Tiere und Vögel.