Vadim Kosmatschof

Skulpturen und Zeichnungen
25.05.2012 bis 06.07.2012


Nächste Ausstellung nach der Sommerpause:
Walter Moroder
Skulpturen aus Lehm, Leim und Holz
Vernissage Dienstag 11.9.2012 19 Uhr
Dauer der Ausstellung bis 13.10.2012

Vadim Kosmatschof, geboren 1938 bei Moskau, entwickelt in seiner Arbeit Kosmologien ästhetischer und technischer Transformationsenergie.

In den späten 1950er Jahren kam es in der Sowjetunion erstmals zu künstlerischen Programmen und architektonischen Konzepten, die grundsätzlich den Mustern westeuropäischer Länder folgten. In diesem Klima begann Vadim Kosmatschof seine Ausbildung. 1951 bis 1958 war er Schüler des Kunstgymnasiums in Moskau und arbeitete an seinen ersten Raumkonzepten, die schon damals in Zusammenhang mit Architektur gedacht waren und in Reflexion auf den normierten öffentlichen Raum der Stalinjahre entstanden. Schon in seinen frühen Skizzen entwickelt sich Kosmatschofs Raumverständnis, das für seine gesamte künstlerische Laufbahn bestimmend sein wird: Der Raum der Skulptur versteht sich als eine Ressource und ein Mittel, um Erfahrung zu organisieren, um eine prozessuale Form der Ästhetik zu verwirklichen. Die verschüttete Tradition des Russischen Konstruktivismus wird so etwas wie der fossile Brennstoff, der die Arbeit des jungen Kunstschülers inspiriert, antreibt. Es ist also nicht nur ein biografischer Zufall, dass das erste Schlüsselwerk Kosmatschofs nicht in Moskau, sondern in einer der Turkrepubliken entstand. Mit einem Auftrag für eine Skulptur auf dem Platz vor der neuen Nationalbibliothek in Aschchabad, der Hauptstadt der Turkmenischen Republik, konnte Kosmatschof erstmals seine formalen Experimente aus dem Atelier in eine Großform im öffentlichen Raum transferieren.

1976 entsteht in Moskau an einem Bürogebäude noch eine Arbeit, die wie ein geräthafter, sphärenmessender Apparat, den das Haus im Huckepack trägt, wirkt, eine Art Messanlage, gebaut aus Fantasien zu einer Analyse der strukturellen und ideologischen Spannungen zwischen den privaten Utopien der Sowjetbürger und denen des Apparates. Doch politische und ästhetische Unbotmäßigkeit verhinderten weitere Aufträge, Kosmatschof stellte den Antrag auf Ausreise.

1979 emigriert Kosmatschof via Wien und Graz in den Westen. Er findet dort in einem Post-Pop-Milieu rund um den kreativen ORF-Direktor Kuno Knöbl und den Kreativen Horst Georg Haberl Aufnahme und eine Ateliersituation, die ihm erlaubt, die Traumata der Verdrängung aus dem offiziellen Kunstbetrieb abzuarbeiten. Direkte Konsequenz der Emigration ist eine Arbeit, die Kosmatschof im steirischen herbst 1981 für den öffentlichen Raum der Stadt Graz konzipiert: ein negativ gestelltes billboardgroßes Schwarzweiß-Acrylbild des Visums, das die Ausreise ermöglicht hat. Formal wirkt es wie ein Erratum in der sonst so konsequent an organoformer Abstraktion gearbeiteten Werkreihe. Inhaltlich jedoch fügt es sich nahtlos in die Gedankenfigur eines Wechselverhältnisses von skulpturaler Logik und kosmologischer Metaphorik ein, die Kosmatschof im Westen, ab 1983 in Mainz, ab 1994 im nunmehrigen Wohnsitz Wiesbaden, entwickelt. Es sind Kosmologien ästhetischer und technischer Transformationsenergie, zu denen die Skulpturen nun gerinnen. Mit den neuen technologischen Möglichkeiten wächst die handwerkliche Präzision und Brillanz.

Georg Schöllhammer