Michel Nedjar

Zeichnungen, Objekte (art brut)
18.09.2015 bis 17.10.2015


Kommende Ausstellung:

Vernissage
Donnerstag  22. Oktober 2015, 19.00 - 21 Uhr

"Im Urschlamm der Existenz eine vergrabene und wieder ausgegrabene Puppe, ein Leib, mit einem Zauber belegt, getränkt mit Tränen." (Michel Nedjar)

Michel Nedjar arbeitet rasch, ohne Ausbesserungen, Korrekturen oder Überarbeitungen, weshalb er sich eine entstandene Arbeit, sobald er sie für fertig erachtet, nicht noch einmal vornimmt. Er legt sie zur Seite und betrachtet sie erst wieder, wenn sie für eine Ausstellung ausgewählt wurde. Insbesondere seine Papierarbeiten entstehen aus einem inneren Zwang, vergleichbar mit einem Trancezustand. Seinen Werken gibt er nie Titel, arbeitet hingegen so lange an einem Thema, bis daraus eine Serie entstanden ist. Bevorzugt verwendet er gefundene Materialien, Kuverts oder Kartonreste, auf denen er nicht nur malt, zeichnet und kratzt, oftmals setzt der gelernte Schneider das Bügeleisen oder die Nähmaschine ein, um dem Bild einen besonderen Charakter zu verleihen. Aus einem undeutlichen Geflecht, einem unentwirrbaren Dickicht lösen sich Figuren, die einander überlagern und gleichsam einander hervorbringen. Sie treten uns vor Augen und wirken auf uns in ihrer unerschöpflichen Fülle. 
Sie erscheinen uns "aus den Tiefen einer unerklärlichen ständigen Erneuerung" (Henri Michaux). 

Es ist gut nachvollziehbar, warum Michel Nedjar, Arnulf Rainer, Henri Michaux einander schätzten, da es allen um das "Herausspucken" des Inneren gelegen ist, sei es durch Drogen, halluzinogene Pilze oder einfach durch eine überaus stark ausgebildete Sensibilität. Nedjars Formensprache verfügt über ein Repertoire an Ikonen, die er wiederholt und arrangiert, Figuren und Gesichter, die aus dem Unterbewusstsein kommen. Bevor Nedjar zu arbeiten beginnt, bereitet er das für die Serie benötigte Papier vor, hat indes noch keine Vorstellung, was entstehen wird: Gesichter und Masken, menschliche Körper, Mumien, Stockfiguren und Silhouetten sowie Tiere und Vögel ergeben schließlich das Resultat. 
Für Nedjar ist es wichtig, in Sammlungen vertreten zu sein. Am Beispiel des Sammlers Daniel Cordier, der zum richtigen Zeitpunkt billig einkaufte und dadurch viele Arbeiten vor der Vernichtung bewahrte, sodass durch Daniel Cordier Nedjars Kunst als Schenkung ins Centre Pompidou gelangte. 

ZUM KÜNSTLER

1947 in Soisy-sous-Montmorency geboren, war der Sohn eines jüdischen Schneiders aus Algerien. Buben durften nicht mit Puppen spielen, daher schuf Nedjar schon als Kind mit viel Geschick und einer Begabung, Reste zu verwerten, seine eigenen Puppen.  Lieber zeichnete er, lehnte sich auf gegen Schule und Lernen: Mit 14 Jahren verließ er die Schule, absolvierte eine Schneiderlehre und besuchte später eine Schule für Modedesign.
1969 lernte er den mexikanischen Experimentalfilmer Téo Hernandez kennen und lernte von ihm alles bis dahin Verweigerte nach. Zusammen mit Téo unternahm er große Reisen durch Europa und Marokko, später durch Asien, die Türkei, Afghanistan, den Iran, Indien und Mexiko, wo er 18 Monate verbrachte. Nach seiner Rückkehr, 1975, entstanden seine ersten "Poupées". Damals drehte Téo Hernandez den Film "Salomé", in dem Nedjar eine Rolle übernahm. Davon angeregt, entstand 1977 sein erster eigener Film "Le Gant de l’autre", gefolgt von weiteren Filmen. 1979 wurden Nedjars Arbeiten Jean Dubuffet gezeigt, der einige "Poupées" für die Collection de l’Art Brut erwarb. Michel Nedjar lebt in Paris.
Dagmar Chobot


Einzelausstellungen: Rosa Esman Gallery, New York; Galerie Susanne Zander, Köln; Galerie Michael Haas, Berlin; Judy Saslow Gallery, Chicago; Galerie St. Etienne, New York; Galerie Latal, Zürich; Galerie Chobot, Wien; Museum und Haus der Künstler in Gugging; Kunstmuseum Thurgau, Schweiz.