Vadim Kosmatschof, geboren 1938 bei Moskau, entwickelt in seiner Arbeit
Kosmologien ästhetischer und technischer Transformationsenergie.
In
den späten 1950er Jahren kam es in der Sowjetunion erstmals zu
künstlerischen Programmen und architektonischen Konzepten, die
grundsätzlich den Mustern westeuropäischer Länder folgten. In diesem
Klima begann Vadim Kosmatschof seine Ausbildung. 1951 bis 1958 war er
Schüler des Kunstgymnasiums in Moskau und arbeitete an seinen ersten
Raumkonzepten, die schon damals in Zusammenhang mit Architektur gedacht
waren und in Reflexion auf den normierten öffentlichen Raum der
Stalinjahre entstanden. Schon in seinen frühen Skizzen entwickelt sich
Kosmatschofs Raumverständnis, das für seine gesamte künstlerische
Laufbahn bestimmend sein wird: Der Raum der Skulptur versteht sich als
eine Ressource und ein Mittel, um Erfahrung zu organisieren, um eine
prozessuale Form der Ästhetik zu verwirklichen. Die verschüttete
Tradition des Russischen Konstruktivismus wird so etwas wie der fossile
Brennstoff, der die Arbeit des jungen Kunstschülers inspiriert,
antreibt. Es ist also nicht nur ein biografischer Zufall, dass das erste
Schlüsselwerk Kosmatschofs nicht in Moskau, sondern in einer der
Turkrepubliken entstand. Mit einem Auftrag für eine Skulptur auf dem
Platz vor der neuen Nationalbibliothek in Aschchabad, der Hauptstadt der
Turkmenischen Republik, konnte Kosmatschof erstmals seine formalen
Experimente aus dem Atelier in eine Großform im öffentlichen Raum
transferieren.
1976 entsteht in Moskau an einem Bürogebäude noch
eine Arbeit, die wie ein geräthafter, sphärenmessender Apparat, den das
Haus im Huckepack trägt, wirkt, eine Art Messanlage, gebaut aus
Fantasien zu einer Analyse der strukturellen und ideologischen
Spannungen zwischen den privaten Utopien der Sowjetbürger und denen des
Apparates. Doch politische und ästhetische Unbotmäßigkeit verhinderten
weitere Aufträge, Kosmatschof stellte den Antrag auf Ausreise.
1979
emigriert Kosmatschof via Wien und Graz in den Westen. Er findet dort
in einem Post-Pop-Milieu rund um den kreativen ORF-Direktor Kuno Knöbl
und den Kreativen Horst Georg Haberl Aufnahme und eine Ateliersituation,
die ihm erlaubt, die Traumata der Verdrängung aus dem offiziellen
Kunstbetrieb abzuarbeiten. Direkte Konsequenz der Emigration ist eine
Arbeit, die Kosmatschof im steirischen herbst 1981 für den öffentlichen
Raum der Stadt Graz konzipiert: ein negativ gestelltes billboardgroßes
Schwarzweiß-Acrylbild des Visums, das die Ausreise ermöglicht hat.
Formal wirkt es wie ein Erratum in der sonst so konsequent an
organoformer Abstraktion gearbeiteten Werkreihe. Inhaltlich jedoch fügt
es sich nahtlos in die Gedankenfigur eines Wechselverhältnisses von
skulpturaler Logik und kosmologischer Metaphorik ein, die Kosmatschof im
Westen, ab 1983 in Mainz, ab 1994 im nunmehrigen Wohnsitz Wiesbaden,
entwickelt. Es sind Kosmologien ästhetischer und technischer
Transformationsenergie, zu denen die Skulpturen nun gerinnen. Mit den
neuen technologischen Möglichkeiten wächst die handwerkliche Präzision
und Brillanz.